Nach meinem Jusstudium habe ich ein Gerichtspraktikum gemacht, mich für die Anwaltsprüfung vorbereitet, der klassische Karrierepfad eben. Ich war mir nicht mal sicher, ob ich je als Anwältin arbeiten möchte, aber ich fand damals, ich mache die Anwaltsprüfung lieber jetzt, sonst bereu ich es später vielleicht. Vielleicht hatte das auch damit zu tun, mich beweisen zu wollen.

Recht ist für mich primär etwas sehr Politisches. Vielfach ist es historisch bedingt, weshalb die Rechtslage so ist und nicht anders. Ich hinterfrage oft kritisch, versuche, das Grosse und Ganze zu sehen. Im Strafrecht habe ich zum Beispiel meine eigene Skala, welche Delikte ich schlimmer finde als andere. Ich habe einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit. Ungerechtigkeit ist etwas vom Schlimmsten für mich. Das ist nicht immer nur einfach, wenn man als Anwältin der Meinung ist, das Recht sollte eigentlich anders sein.

Je länger, desto mehr möchte ich nur noch Sinnvolles machen, auch wenn ich nicht immer weiss, was das ist. In der letzten Zeit habe ich mich immer weniger als Anwältin gesehen. Wenn, dann würde ich nur Umweltmandate betreuen wollen, aber auch die waren häufig unbefriedigend. Meistens geht es um sehr spezifische Dinge, zum Beispiel darum, wie eine bestimmte Verordnung auszulegen ist. Ich habe das Bedürfnis, freier zu arbeiten, aktiv mitzugestalten. Als Anwältin kommst du häufig erst dazu, wenn irgendwo bereits ein Problem besteht, das du nicht selbst kreiert hast. Der Blick fürs Grosse und Ganze geht dann leider häufig verloren.

Den Job bei der Kanzlei habe ich gekündigt. Rein menschlich war alles cool, aber meine Zeit wird mir je länger, desto wertvoller. Ich möchte nichts tun, bei dem ich nicht leidenschaftlich dabei bin. Dass das ein riesiges Privileg ist, bin ich mir bewusst. Aber das ist für mich kein Argument, nicht auszuprobieren, ob man das Leben auch anders gestalten kann, mit weniger Geld, weniger Status, weniger Stress.

Manchmal habe ich schon das Gefühl, ich sei ein Weichei und mag vielleicht einfach nicht arbeiten, aber das stimmt nicht. Ich brauche einfach etwas, das mich mehr motiviert. Ich brauche Sinn und gleichzeitig auch mega viel Unsinn, ganz im freien Sinn. Spass haben, lustig sein, Sinnvolles im Kleinen machen und mitgestalten. Ich möchte etwas mit Leuten machen, die ich mag, die ähnlich denken, die auch unglücklich sind in dem, was sie tun, und die Veränderung suchen.